Montag, 9. November 2009

Immer neutral bleiben - Als Dolmetscher für die Polizei oder das Gericht arbeiten

Viele Menschen denken beim Beruf des Dolmetschers zuerst an die Tätigkeit der „Konferenzdolmetscher“: Diese arbeiten zum Beispiel auf internationalen Konferenzen oder begleiten Politiker bei Staatsbesuchen ins Ausland. Doch der Beruf des Dolmetschers ist weitaus vielfältiger und facettenreicher. Viele Dolmetscher in Deutschland sind „hinter den Kulissen“ tätig – zum Beispiel als Gerichts- oder auch als Polizeidolmetscher.

Der Beruf des Polizeidolmetschers ist kein einfacher Job. André Lindemann, Vizepräsident des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ), ist seit 1986 als Dolmetscher bei der Polizei fest angestellt. „Die Arbeit ist interessant, aber die Belastung ist schon sehr hoch“, berichtet Lindemann. „Dolmetscher gehen mit an Tatorte oder auch zu einem Verkehrsunfall, wenn es für die Verständigung zwischen der Polizei und den beteiligten Personen erforderlich ist.“ So abwechslungsreich diese Tätigkeit auch ist: Weil man es oft mit harten Fakten und bisweilen menschlichen Abgründen zu tun hat, muss ein Polizeidolmetscher nach der Arbeit gut abschalten können und stressresistent sein. Weitere Anforderung: „Als Dolmetscher muss ich immer neutral bleiben“, so Lindemann. „Ich darf nicht Partei ergreifen und muss ganz klar meine Rolle als Sprachmittler definieren.“

Nicht minder herausfordernd ist der Beruf des Gerichtsdolmetschers, der viele Parallelen zum Beruf des Polizeidolmetschers aufweist. Das Gericht zieht Dolmetscher heran, wenn eine Partei der Gerichtssprache nicht mächtig ist. Gerichtsdolmetscher dolmetschen dann zum Beispiel für einen Angeklagten in einer Gerichtsverhandlung. Sie müssen in der Regel ohne Vorbereitung oder Akteneinsicht in die Verhandlung gehen. Die Verantwortung dieser Tätigkeit ist sehr hoch – ein Freispruch oder eine Verurteilung hängen mit davon ab, dass der Gerichtsdolmetscher alles Gesagte korrekt von einer Sprache in die andere überträgt.

Wege zum Beruf

Die Mehrheit der Gerichts- und Polizeidolmetscher arbeitet freiberuflich, denn es gibt nur wenige feste Stellen. Die Voraussetzung für eine Tätigkeit als freiberuflicher Polizei- oder Gerichtsdolmetscher variiert von Bundesland zu Bundesland. In der Regel muss ein Dolmetscher, der für Polizei oder Gericht arbeitet, „allgemein beeidigt“ beziehungsweise „öffentlich bestellt“ sein. Eine Voraussetzung dafür ist in den meisten Bundesländern eine staatliche Prüfung als Dolmetscher oder ein einschlägiges abgeschlossenes Studium. Außerdem muss der Dolmetscher für die Vereidigung ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und nachweisen, dass er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.

André Lindemann: „Gerichtsdolmetscher und Polizeidolmetscher müssen auch das Rechts- und Kultursystem der Länder, in deren Sprachen sie arbeiten, kennen.“ Ein Hochschulstudium mit Masterabschluss ist nach seiner Ansicht die beste Voraussetzung für den Beruf. Lindemann empfiehlt Interessenten, sich schon während des Studiums auf das Thema Recht im Nebenfach zu konzentrieren.

Mehr über den Beruf des Polizeidolmetschers erfahren Interessierte im Vortrag von André Lindemann auf der Expolingua: „Der Polizeidolmetscher als Detektiv?“ (Freitag den 20.11. von 16.15 bis 17.00 Uhr auf der Expolingua Berlin 2009).